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(Be-)Schreiben

Ich hatte euch ja gestern mein Lieblingstool vorgestellt: das Schreiben.

Welche Vorteile hat das Aufschreiben von wichtigen Gegebenheiten im Pflegekinder-Leben?

  • Reflektion für die Pflegeeltern: wenn sie nach längerer Zeit anhand schriftlicher Beobachtungen den Weg ihres Pflegekindes noch mal nachvollziehen können. Wie oft werden Fortschritte als klein eingestuft oder sogar übersehen – und im Nachhinein kann man erkennen, dass es ab genau diesem klitzekleinen, als unwichtig empfundenen Punkt plötzlich bergauf ging. Die Entwicklungsschritte kann man oft erst in der Nachschau beurteilen!
  • Erinnerungen für die Pflegekinder: ich liebe ja Erinnerungskästchen, in denen kleine Zeichnungen, Fotos, Schmuckstücke aufgehoben und an die Kinder überreicht werden, wenn sie erwachsen sind. Nicht jedes Kind hat Interesse daran, das ist gar nicht schlimm. Aber anderen Kindern hilft es, ihre Vergangenheit zu verstehen. Gerade Pflegekindern auf der Suche nach ihren Wurzeln kann es eine unglaubliche Hilfe sein.
  • Zeitersparnis: wann immer es verlangt wird, ob Jahresbericht oder Zusammenfassung für das Gericht, ist es ziemlich einfach, anhand der Aufzeichnungen professionelle Berichte anzufertigen.

Unglaublich wichtig finde ich Berichte in Bezug auf Besuchskontakte und deren Erweiterung / Kürzung. Oft gibt es plötzliche Änderungen: die leiblichen Eltern möchten mehr Kontakt oder sie kommen unregelmäßig, zu spät oder überhaupt nicht mehr. Wie will oder kann man argumentieren, wenn man nichts in der Hand hat? Ein kurzes „Ich habe das Gefühl, dass es dem Kind nicht so gut damit geht!“ kann von den Sachbearbeitern in alle Richtungen interpretiert (oder generell überhört) werden. Hat man aber schriftliche Belege, dass das Kind vorher Angst hat und nachher klammert, nicht mehr alleine schlafen kann oder in der Schule nicht mehr mitmacht, dann hat man stichhaltige Argumente.

Was auch passieren kann: Sachbearbeiter schätzen die Reaktionen des Kindes total falsch ein, weil sie das Kind nicht genügend kennen oder den Fall gerade nicht ausreichend im Kopf haben. Deshalb ein Beispiel: die Übergabe eines PK findet auf dem Jugendamt statt. Die LM kommt oft zu spät, überhaupt nicht oder mit kurzfristiger telefonischer Absage, während das Kind schon im Flur auf sie wartet. Gerade diese Wartezeiten sind sehr, sehr belastend, weil das Kind nicht einschätzen kann, was jetzt auf es zukommt. Und alle Gefühle in ihr sind widersprüchlich. Kommt die Mama nicht, heißt das ja, dass sie ihr nicht wichtig genug ist. Das ist traurig. Kommt sie wie vereinbart, hat die Kleine Angst, dass sie im Verlauf des Kontaktes, wenn sie alleine mit ihr ist, ausflippen könnte. Als sie wieder mal eine halbe Stunde auf dem Flur gesessen und gewartet hatten, kommt die LM um die Ecke und wie eine Glühbirne ist das Kind plötzlich ganz ausgewechselt. Es lächelt und freut sich und plappert vor sich hin. Als die beiden sich dann verabschieden, sagte die Sachbearbeiterin: „Ach, wie sie sich gefreut hat, dass die Mama kommt!“. Die Pflegemutter antwortet: „Die Anspannung, ob der Besuchskontakt diesmal stattfindet, war wirklich riesengroß. Sie hatte schon seit zwei Tagen deshalb Bauchweh und konnte nicht einschlafen. Diese Unzuverlässigkeiten machen ihr immer sehr zu schaffen. Haben Sie auch gemerkt, wie sie sofort wieder in die Kleinmädchenrolle zurück gefallen ist? Das Lächeln im Gesicht war total ausdruckslos und die Stimme war plötzlich die Piepsstimme einer unsicheren Zweijährigen. Das ist die Angst, irgendetwas falsch zu machen und dadurch zu bewirken, dass die Mutter wieder ausflippt und rumschreit!“

Und genau dieses Gespräch sollte nachher in einem Bericht zum Besuchskontakt (mit wörtlicher Rede; ohne weitere persönliche Interpretationen) schriftlich festgehalten werden.

Eine Sachbearbeiterin ist auch nur ein Mensch. Sie beurteilt Situationen aufgrund ihrer eigenen (privaten und beruflichen) Erfahrungen und erinnert später das Gefühl, dass sie selbst in dieser Situation hatte.

Hätte die PM nichts gesagt, wäre der SA im Gedächtnis geblieben, dass das Kind sich sehr über den Kontakt zur leiblichen Mutter gefreut hat. Wahrscheinlich hätte es sogar eine kleine Aktennotiz dazu gegeben. Mit der klaren Ansage der Pflegemutter geriet dieser Eindruck aber bestimmt schon mal ins Wanken und durch das schriftliche Festhalten blieb auch eher die Problematik des Zurückfallens in alte Muster in Erinnerung. Was hoffentlich auch bewirkt, dass bei folgenden Besuchskontakten genau dieser Aspekt auch weiterhin beobachtet wird und dokumentiert wird. Deshalb sind diese kurzen Notizen einfach so unglaublich wertvoll.

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