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Das wichtigste Tool für Pflegeeltern: Schreiben

Was ist mein wichtigstes Tool? Schreiben. Schreiben. Und noch mal: Schreiben.

Ich meine hier nicht das klassische Journaling oder Tagebuchschreiben. Das kommt an anderer Stelle. Hier meine ich tatsächlich das Aufschreiben und Notieren von allem, was täglich rund um das Pflegekind passiert. Warum?

In der Phase, in der alles drunter und drüber ging, als ich mit dem Sozialen Dienst des Jugendamtes darum kämpfte, dass meine Pflegetochter keinen gefährlichen Situationen mehr ausgesetzt wird, als ich klare Vereinbarungen forderte, an die sich jeder zu halten hat, da war Schreiben mein Rettungsanker. Deshalb möchte ich es hier auch allen Pflegeeltern empfehlen. Ich schreibe gerne und sehr schnell am PC, deshalb hatte ich dort eine Datei, in der ich jeden Abend eintrug, was ich für wichtig und relevant hielt. Natürlich reicht auch einfach ein Block, in den man abends in kurzen Stichwörtern die Ereignisse des Tages notiert. Man darf es sich leicht machen und so wählen, wie es für einen selbst am besten funktioniert. Nur konstantes Vorgehen ist wichtig.

Was sollte notiert werden?

  • besondere Termine wie Besuchskontakte, Diagnostik, Jugendamt, schulische Besonderheiten und familiäre Ereignisse mit Datum und Ergebnis (zum Beispiel Ergebnis des Tests oder mündliche Abmachungen)
  • welchen Eindruck hat man? Wie fühlt es sich für Pflegemama / Pflegepapa an?
  • Reaktionen des Kindes vorher und nachher –> wichtig: hier keine eigenen Interpretationen, sondern sachliche Beobachtungen. Den Zusammenhang und die Bedeutung darf der Leser sich später selbst herstellen.
  • die Reaktionen von Kindern können ganz unauffällig sein oder so aussehen, als hätten sie gar nichts mit dem Ereignis zu tun: Wutanfall zwei Tage vor einem Besuchskontakt, Streit mit Geschwisterkind, Bauchweh, Schlafprobleme, erhöhter Kuschelbedarf, Eintrag ins Klassenbuch, etc. Ganz wichtig: Oft kann man erst im Nachhinein den Zusammenhang herstellen, deshalb sollte einfach alles kurz notiert werden.

Hört sich nach viel Arbeit an? Ist es aber nicht. Manchmal reicht eine kurze Notiz: 24.05.19 – 14 Uhr: Kind erfährt, dass am darauffolgenden Tag Besuchskontakt ist. 24.05.19: abends erst um 23 Uhr eingeschlafen.

Glaubt mir, diese Notizen helfen euch unendlich, wenn ihr später etwas begründen sollt. Es ist ganz erstaunlich, wie schnell wichtige Eckdaten aus dem Gedächtnis verschwinden. Man glaubt es einfach nicht und denkt, dass man das gar nicht vergessen kann – und schon ist es weg. Manchmal ist es ja auch erst längere Zeit später wichtig, zum Beispiel beim Hilfeplangespräch ein halbes Jahr danach oder bei einem Gerichtsverfahren zwei Jahre später.

Ich habe so oft erlebt, dass bei einer Argumentation die entsprechenden Details fehlten, um die eigene These zu stützen. Stellt euch mal vor, ihr merkt, wie schlimm die Kinder mit den Besuchskontakten zu kämpfen haben. Vorher tagelang aufgeregt und streitsüchtig. Nachher depressiv und antriebslos. Nun versucht ihr ein paar Monate später nach einem Antrag der leiblichen Eltern, dem Jugendamt zu erklären, warum ihr keine Ausdehnung der Besuchskontakte von 1x monatlich auf 2x monatlich befürworten könnt. Reicht es aus, wenn ihr sagt: „Das tut dem Kind nicht gut!“? Oder könnte der Sachbearbeiter dann auch einfach denken: „Vielleicht wollen sie das nur aus persönlichen Gründen, die mit dem Kind gar nichts zu tun haben, nicht?“ Wie viel besser könntet ihr zum Wohle des Kindes argumentieren, wenn ihr eure Notizen zückt und belegen könnt: hier hat das Kind diese Reaktionen gezeigt und dort hat der Lehrer das besondere Verhalten beobachtet! Bei diesem Besuchskontakt ist jenes vorgefallen und deshalb hat das Kind bei den nächsten Kontakten so reagiert. Wir lehnen das nicht aus einem aktuellen Gefühl heraus ab und saugen uns auch nichts aus den Fingern, sondern beobachten schon seit einem ganzen Jahr, dass das Kind sehr mit diesen Belastungen zu kämpfen hat.

Wie gesagt, am Anfang, in der Entscheidungsphase und nach der Sorgerechtsübertragung war das Aufschreiben das wichtigste Element, das ich hatte. Später wurden die Eintragungen dann seltener, als die Besuchskontakte ausfielen und alles ganz normal weiter lief. Ich nutzte dann immer das Halbjahr, um Berichte an die Sachbearbeiter zu schicken. Ich liebte es, weil ich dann so ein Resümee ziehen konnte: was ist in diesem Halbjahr vorgefallen? Was hatten wir uns vorgenommen? Haben wir unsere Ziele erreicht? Was hat sich verbessert? Wo sind neue Probleme aufgetaucht? Und die Sachbearbeiter liebten meine Berichte 🙂 Die sind übrigens auch nur Menschen und meist dankbar, wenn frühere Vorfälle wieder ins Gedächtnis gebracht werden, um aktuell eine Entscheidung treffen zu können. Berichte schreiben als Reflektion des letzten Zeitraumes.

Später, als meine Pflegetochter älter wurde, stand nicht mehr so viel in den Berichten. Deshalb habe ich dann nur noch 1x im Jahr geschrieben. Mittlerweile geht je nach Bedarf eine Email an unsere Sachbearbeiterin, was es Neues gibt, wie das Zeugnis ausgefallen ist und wie es uns allen so geht. Immer mit aktuellem Foto, damit sie unsere Familie auch im Gedächtnis hat bei all den Fällen, die sie betreut: Persönlichen Bezug herstellen.

Was ich auch wichtig finde: ich habe die Berichte und Notizen alle ausgedruckt und in einem separaten Ordner abgeheftet. Ab und an lese ich darin und stelle fest, dass ich aktuelle Probleme mit diesem Hintergrund noch mal ganz anders verstehen kann.

Ich würde mich total freuen, wenn ich euch dazu überreden konnte. so ein Notizbuch zu führen. Oder macht ihr das sowieso schon? Wie kommt ihr damit zurecht? Welche Vorteile konntet ihr daraus ziehen? Ich lese sehr gerne von euren Erfahrungen.

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