Die aktuelle Zeit ist herausfordernd. Und nein, ich fange jetzt nicht an mit „großer Chance“, „Zusammenrücken“ und „Entschleunigung“. Garantiert nicht. Ich gönne es tatsächlich jedem, wenn er/sie sein Familienleben nun super entspannt findet und fernab vom gewöhnlichen Alltagstrubel neu genießen kann. Wundervoll. Da bleibt ja eigentlich nur, die neu gewonnenen Rituale auf Dauer im Leben einzubinden.
Aber was ist mit all den anderen? Die, die wegen Hochrisikopatienten auf so vieles verzichten müssen, um niemanden anzustecken? Oder die, die gerade mit ihren Kindern so gar nicht zurecht kommen? Oder die, für die Kurzarbeitergeld und geschlossene (eigene) Läden ein großes finanzielles Problem darstellen? Diese Menschen stehen vor wirklich großen Herausforderungen, auf die man sich nicht vorher irgendwie vorbereiten konnte. Man wurde von der Entwicklung einfach überrannt.
Ich glaube, dass der erste Schritt in einen ruhigeren Umgang mit der aktuellen Situation die Anerkennung ist. Die Anerkennung, dass es so ist, wie es ist. Jetzt, gerade, in diesem Moment. Der innere Widerstand dagegen kostet nur unnötig Kraft. All die Theorien, was jetzt richtig ist oder falsch, bringen uns gerade nicht weiter. Es gibt zu jeder Meinung immer auch eine Gegenmeinung. Und wenn man „Beweise“ für die eigene Theorie sucht, dann sucht man einfach so lange irgendwelche Experten ab, bis man den findet, der die eigene Meinung so richtig gut untermauern kann. Klar, kann man machen. Hilft aber bei den aktuellen täglichen Problemen wenig. Damit ist nicht gemeint, sich unkritisch einfach allem hinzugeben und andere entscheiden zu lassen. Aber manchmal muss man den Augenblick einfach anerkennen, um sich nicht gefühlsmäßig in etwas hinein reißen zu lassen.
Deshalb wäre für mich Punkt eins:
Inneren Widerstand aufgeben – Anerkennen, was ist
Meine höchstpersönliche Challenge ist es, mich nicht von all den (gegensätzlichen) Informationen überfluten zu lassen. Ich ärgere mich manchmal total über die abstrusen Verschwörungstheorien von guten Freunden. Das hängt mir dann den ganzen Tag nach. Da ich Facebook und Instagram aber beruflich nutze, kann ich es nicht einfach komplett ausblenden. Also versuche ich es zumindest einzudämmen. Ich lese nur noch ausgewählte Quellen zum aktuellen Tagesgeschehen und versuche nach Möglichkeit, keine Diskussionen mehr zu verfolgen. Es macht mich nämlich wahnsinnig, wenn eigene Wahrheiten zu allgemeingültigen Gesetzen gemacht werden sollen, indem man (falsche oder zumindest unüberprüfte) Ideen einfach als Tatsachen ausgibt. Und statt jedem seine eigene Meinung aufgrund seiner eigenen Erkenntnisse in seinem eigenen Umfeld zu lassen, wird dann versucht, alles mit dem (virtuellen) Knüppel in das Gegenüber hineinzuprügeln. Nun ja, das ist jetzt aber ein ganz anderes Thema. Nennen wir es Psychohygiene: ich lasse nicht mehr jeden Schwurbel an mich ran und diskutiere selbst auch nicht mehr.
Aber es geht nicht nur um das Anerkennen der aktuellen äußeren Situation. Es geht auch darum anzuerkennen, dass das familiäre Leben ohne Kindergarten oder Schule einfach schwierig ist. Dass Kinder schlecht gelaunt sein können oder gelangweilt oder traurig oder unmotiviert oder aufgedreht oder…. Oder dass es gar nicht so einfach ist, wenn man nun plötzlich 24/7 mit seinem Partner zusammen ist und wenig Ausweichmöglichkeiten hat. Oder dass andere vielleicht von heftigen Ängsten geplagt werden, gegen die kein guter Ratschlag hilft. Oder dass das Geld vielleicht knapp wird, der tolle Osterurlaub abgesagt werden muss oder dass man sich nicht mit Oma treffen darf. Das führt dann zum zweiten Punkt:
Gefühle zulassen und nicht verdrängen
Natürlich haben Menschen jetzt Angst. Angst vor Erkrankung. Angst vor finanziellen Verlusten. Angst vor monatelangen Ausgangsbeschränkungen. Aber nicht nur Angst, sondern auch Wut und Ohnmacht sind aktuell eine ganz normale Folge auf das, was wir erleben. Diese Gefühle sind normal und natürlich. Sie möchten gefühlt werden, nicht verdrängt. Wenn etwas kacke ist, dann ist es nun mal kacke.
Aber man sollte nicht im Tal der negativen Gefühle verbleiben, sondern aktiv nach:
Lösungen suchen
Es ist wichtig, sich in jeder Situation zu fragen: „WAS kann ich TUN, damit es wenigstens ein klitzekleines Stückchen besser für mich / für uns wird?“ Nicht steckenbleiben im Widerstand oder im Gefühlschaos, sondern aktiv nach guten Strategien suchen. Den Geist frei machen und Ideen strömen lassen, ohne sie vorschnell schon als undurchführbar abzuwinken:
- welche neuen, sinnvollen Strukturen können wir unseren Kindern anbieten?
Feste Zeiten sind wichtig. In den Tag hinein leben ist ganz bestimmt für eine kurze (Urlaubs-) Zeit nett, aber auf einen längeren Zeitraum gesehen wird es für Kinder schwierig. Fehlende Strukturen machten halt-los. Was ist zuwenig? Was ist zuviel? Und was ist jetzt im Moment gerade richtig?
- was darf denn jetzt anders sein?
Für mich ist ein glückliches Kinderlächeln durchaus wert, mal auf „normale“ Regeln zu verzichten. Pommes zum Frühstück. Den Balkon unter Sand setzen. Abends länger aufbleiben und dafür morgens länger schlafen (wenn´s klappt). Die fünfte Geschichte hintereinander vorlesen. Spielzeug im Hof nicht wegräumen, damit am nächsten Tag die Motivation größer ist, gleich wieder ins Spiel einzusteigen. Gemeinsam die Frühlingsblumen einbuddeln, auch wenn sie anschließend kreuz und quer durcheinander stehen. Mittagessen ausfallen lassen, weil man gerade einen wunderschönen Kuchen zusammen gebacken hat. Hey, warum nicht? Außergewöhnliche Zeiten verlangen auch außergewöhnliche Maßnahmen.
- Hilfen annehmen.
- Da im Moment persönliche Hilfen schwierig sind, zähle ich darunter auch alle Ideen, die andere Mütter und Väter schon hatten. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Deshalb frage ich hier auf der Seite regelmäßig danach. Die Idee, mit den Kindern Regenbögen zu malen und an die Fenster zu kleben, ist doch genial. Und dann beim Spazierengehen danach Ausschau halten, welche Kinder ebenfalls zuhause sitzen und ein Regenbogenbild gemalt haben.Oder die Saarsteine – ich weiß jetzt gar nicht, ob das in anderen Bundesländern bekannt ist. Schöne, flache Steine werden mit Acrylfarben angemalt und dann mit Klarlack wetterfest gemacht. Bei Facebook kann man sich unter dem entsprechenden Hashtag #saarstein richtige Kunstwerke anschauen. Anschließend werden sie ausgewildert. Also beim nächsten Spaziergang so hingelegt, dass andere Kinder sie sehen und mit nach Hause nehmen können. Um sie dann am nächsten Tag beim nächsten Spaziergang wieder auszuwildern. Wunderschöne Idee.
Gemeinsamkeit hat Vorrang und trotzdem braucht jeder seine Ruhe-Inseln
Egal, was es ist, gemeinsam verbrachte Zeit ist gerade aktuell das Wichtigste für jede Familie. Gemeinsam kochen, backen, gärtnern, aufräumen, Wäsche waschen, lesen, spielen, …. Ich stelle mit Begeisterung fest, dass das bei uns nie aufgehört hat, obwohl die Kinder schon groß sind. Warum? Weil wir diese Zeiten immer auch zum Reden nutzen. Doppelt gemoppelt sozusagen. Man sollte aber zur Zeit auch das Fernsehen nicht verteufeln. Meine Große schaut sich zum Beispiel total gerne verschiedene Kindersendungen mit ihren kleinen Schwestern an – und es ist so goldig, wenn sie dann anfangen, mit ihren Fingern zu zählen oder die Farben zu benennen. Schulfernsehen mit Mickey Maus – warum nicht? Lernen kann viele Seiten haben.
Dabei sollte aber die Zeit, die jeder für sich hat, nicht vergessen werden. Je mehr zu tun ist, desto wichtiger ist eine Pause. Mamas und Papas sind auch Menschen. Ihre Bedürfnisse sind nicht unwichtiger als die Bedürfnisse der Kinder. Das Buch, die Tasse Tee, die Mittagspause, das Telefonat mit der besten Freundin, die Badewanne mit Glitzerschaum – was den Eltern gut tut, das tut im Endeffekt auch den Kindern gut. Weil nur entspannte Eltern auch die Kraft haben, ihren Kindern etwas zu geben. Nicht, weil sie es müssen. Sondern von Herzen.