Kennt ihr die Megaphone-Übung. „Du hast ein magisches Megaphone und wenn du da reinsprichst, hört dir die ganze Welt für 2 Minuten zu. Was würdest du sagen? Was wäre deine Message?“
Daraufhin habe ich mir überlegt, was ich so am allerhäufigsten wiederhole. So im ganz normalen Alltag, wenn ich mit ganz normalen Leuten ganz normal rede. Dabei sind mir ganz spontan zwei Sprüche eingefallen, die sich bei mir häufen.
Der eine heißt: „Lass nichts einfach so im Raum stehen, wenn es nicht richtig ist. Sonst setzt es sich so im Kopf deines Gegenübers fest, dass es irgendwann einfach ohne jede Grundlage nur durch Wiederholung richtig wird!“ Um das zu verstehen, muss man aber auch den Kontext kennen. Wie oft passiert es, dass wir zu harmoniebedürftig, zu konfliktscheu oder – ja – ganz einfach zu faul sind, unsere Meinung kundzutun. Aber „was gesagt wird, bleibt“. Eine Unwahrheit wird von den Leuten geglaubt, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Das muss ja gar keine großartige Lüge sein. Aber ich denke da an die kleinen, selbstwertvernichtenden Urteile, die tagtäglich von irgendjemandem (aufgrund seiner eigenen Probleme und Absichten) gefällt werden. Der Ehemann, der nicht mit irgendeiner blöden gleichberechtigten Hausarbeit belästigt werden will, mosert an seiner Frau rum: „Die Fleißigste bist du ja nicht gerade! Meine Mutter hat das immer mit links gemacht.“ Oder die Schwiegermutter, die naserümpfend den Garten betrachtet (und eigentlich nur selbst gut dastehen will): „Du hast einfach keinen grünen Daumen und kein Geschick!“ Der Papa, der zu seinen Kindern sagt: „Die Mama hat schon wieder Blödsinn geredet, das müsst ihr nicht so ernst nehmen!“, weil er in der Beliebtheitsskala steigen will. Und manchmal ist es sogar „nur“ der (abfällige) Tonfall, der die Musik macht.
Lässt man das unkommentiert stehen, werden die Urteile immer krasser und es wird immer schwerer, etwas dagegen zu sagen. Dann kommen die Kommentare auch noch vor Publikum, wo man doch gerade in der Öffentlichkeit keinen Krach haben will und lieber die Klappe hält – kann man ja später noch daheim klären. Klar, kann man. Aber die anderen haben dann diese Be- (Ver-)urteilung schon gehört und schlechtestenfalls verinnerlicht. Dabei ist es ganz am Anfang noch relativ einfach, sofort dagegen anzugehen und diese blöden Sprüche abzuwehren. Es muss gar kein Riesenakt sein, keine Verteidigung bis die Stühle fliegen und auch nicht mit anschließendem Kontaktabbruch enden. Ein ruhiges, kraftvolles Statement reicht durchaus aus, damit die Drittpersonen nicht automatisch eine Meinung übernehmen und wieder ihre eigenen Schlüsse ziehen. „Doch, ich bin heute sehr fleißig gewesen!“. „Mir gefällt der Garten so, wie er ist!“. „Ich rede keinen Blödsinn!“. Es bedarf gar keiner großartigen Erklärung. Das würde viel zu schnell in einer Diskussion oder in einer Verteidigungsrede enden. Kurz und prägnant reicht aus, um einen Gegengewicht zu bilden.
Mein zweiter Lieblingsspruch, den ich durch´s magische Megaphone tröten würde: „Schaut euren Kindern ins Gesicht!“ Denn dann: seht ihr genau das, was eure Kinder euch nicht zeigen wollen. Ganz oft sehe ich, dass die Eltern – wenn sie das große Ganze betrachten – ein wütendes, tobendes Kind vor sich sehen, das hyperventiliert und rumschreit. Und darauf reagieren. Wenn man dann aber mal ganz kurz die Atmosphäre von sich abschüttelt und diesem Kind ins Gesicht sieht (wie ich in diesem Falle als neutraler Beobachter), dann sieht man was ganz anderes: Verzweiflung, Ohnmacht, Unsicherheit, Angst. Genau das nämlich, was vor allem Halbwüchsige verstecken wollen, weil sie ja soooo cool und taff sind. Nein, das heißt jetzt nicht, dass man Rumgeschreie und Gezicke gut finden oder „ertragen“ soll. Denn da gilt auch der Spruch von oben: wenn man die ersten Mama-verletzenden Sprüche einfach so stehen lässt, dann werden sie sich häufen und mehren. Weil es sich ja bewahrheitet hat, dass Mama sich nicht wehrt. Dann wird ja schon was dran sein. Nichtsdestotrotz kann man etwas mehr aus der Ruhe heraus reagieren, wenn man das sieht, was hinter diesem Getöse tatsächlich steckt. Und vielleicht ergibt sich dann statt Gegengeschrei ein Gespräch.
In diesem Sinne: reicht mir ein Megaphone!